Weniger ist mehr: Warum weniger Besitz glücklicher macht

Minimalismus und Essentialismus – Hinter diesen Schlagworten steckt eine Lebensweise die dich glücklicher machen kann. Das Grundprinzip: Befreie dich von allem, was dich nicht glücklich macht.

Aber was bedeutet es wirklich, ein „Minimalist“ zu sein? Gibt es dafür Regeln? Muss mein Haus möglichst klein sein, dürfen meine Besitztümer eine bestimmte Anzahl nicht überschreiten? Und geht es beim Essentialismus nicht eigentlich nur um Zeitmanagement? Wie können wir diese Begriffe für uns nutzen, ohne dass sie zu einer weiteren Bürde werden oder uns zwanghaft einschränken? Welche Ideen für den Alltag bringen sie mit sich?

Warum minimalistisch Leben?

Ein minimalistisches Leben bedeutet für viele Menschen einfach nur, möglichst wenig Dinge zu besitzen. Den typischen Minimalisten stellt man sich als spartanischen Eigenbrödler vor, der auf dem Boden schläft, einen Teller, eine Tasse und ein Buch besitzt und jeden verurteilt, der irgendeine Sammelleidenschaft hegt.

Dabei kann es auch einfach nur darum gehen, ein kleines Stück von der Konsumwelt abzurücken und sich Gedanken darüber zu machen: „Was ist mir wirklich wichtig? Wofür lohnt es sich, Arbeit und Zeit zu investieren? Welche Dinge, Aktivitäten und Menschen sind mir meine Lebenszeit und Energie wirklich wert?“ Denn oft ist unser Alltag angefüllt mit Verschwendung. Wir verbringen unsere Zeit mit einer Arbeit die uns nicht begeistert, um Geld zu verdienen für Dinge, die wir nicht wirklich brauchen. Es ist gesellschaftlich nicht anerkannt, weniger zu arbeiten und somit freiwillig weniger Geld zu haben. Auch wenige Freizeitaktivitäten und einen auserlesenen Freundeskreis zu haben wird kritisch beäugt. Schließlich ist Stress schon fast ein Kulturgut und ein voller Terminkalender Symbol unserer Relevanz.

Was uns wirklich glücklich macht

Was uns wirklich glücklich macht, sind nicht die Zeiten, in denen wir möglichst viele Menschen um uns scharren – sondern die Zeiten, die wir mit einigen besonders engen und wichtigen Freunden in intimer Runde verbringen. Besonders hängen wir nicht an Dingen, die wir uns im Laufe der Zeit zusammengekauft haben – sondern an einigen wenigen Stücken, die eine emotionale Bedeutung für uns haben und wir täglich bei uns tragen und nutzen. Die größte Freude bereiten uns nicht die vielen verschiedenen Aktivitäten, die uns von überall her geboten werden – sondern die eine wirklich große Leidenschaft, für die wir brennen und Begabung haben und die uns immer glücklich und zufrieden zurücklässt. Wäre es nicht schön, wenn wir für diese paar wirklich wichtigen Menschen, Dinge und Aktivitäten immer genug Zeit, Energie und Geld hätten?

Uns so gehts:

  • Mach dir doch mal eine Liste, mit allen Menschen, Dingen und Aktivitäten, die dir in einer ganz normalen Woche deines Lebens begegnen.
  • Und dann bewerte alles auf einer Skala (z.B. 0-10) danach, wie glücklich es dich macht.
  • Leg danach einen unteren Bereich fest (z.B. 0-3) und alles, was in diesen Bereich fällt, versuchst du so bald wie möglich zu eliminieren oder so zu verändern, dass du seine Bewertung hochsetzen kannst.

Es gibt keine 2 Menschen, für die diese Frage gleich beantwortet werden kann. Jeder hat seine eigenen Prioritäten in jedem noch so kleinen Bereich des Lebens. Wichtig ist nur, dass du dich selbst möglichst genau kennen lernst und deine Entscheidungen so gut es eben geht (natürlich ohne die Bedürfnisse aller anderen zu ignorieren) an dich persönlich anpasst.

Was ist essentiell für dich?

Den Menschen in deinem Umfeld ist es vielleicht wichtig, möglichst viele Kleidungsstücke und jedes Jahr ein neues Handy zu besitzen, während du am glücklichsten wärst, wenn du jeden Tag ein graues T-Shirt tragen und ein Handy ohne Internetzugang haben könntest? Und hier kommt die gute Nachricht: Beides ist in Ordnung. Beides geht. Solange jeder sich selbst gegenüber ehrlich und authentisch leben kann und seine Entscheidungen nicht danach trifft, wie alle anderen es tun.

Es ist überhaupt kein Problem, sich als Minimalist zu bezeichnen, aber zum Beispiel Bücher zu sammeln. Wenn diese Bücher dich glücklich machen und deine Leidenschaft sind. Ein Problem ist es nur dann, wenn du diese Bücher nur ansammelst, weil du eine Lücke in deinem Leben damit füllst, wenn du sie kaufst um etwas zu kaufen, wenn du denkst, immer das nächste könnte dich etwas glücklicher machen. Es wird zum Problem, wenn du all diese Bücher nie liest, wenn du sie eigentlich nur anhäufst weil du sie dir eben leisten kannst und sie herum räumst weil sie eben da sind. Und immer wenn es ein neues gibt, das zu deiner Sammlung passt, musst du es haben um des Besitzes Willen. Genauso ist es mit Filmen, mit Sammelfiguren, mit elektronischen Spielereien, mit Küchengeräten und Kleidung. Am Ende des Monats ist kaum noch Geld übrig, aber wir besitzen wieder etwas mehr, woran wir uns in einigen Wochen nicht mehr erinnern können.


Und genauso gehen wir mit unserer Lebenszeit um: Wir verbringen viele Stunden mit Menschen, die uns eigentlich nicht interessieren und die nicht auf unserer Wellenlänge sind, nur weil wir nicht unhöflich sein wollen oder dachten, das wir mal wieder jemand neues kennenlernen sollten. Oder wir machen Sportarten, gehen in Vereine, Kinofilme und auf Feste, weil sie eben geboten werden und wir uns selbst nicht gut genug kennen um zu wissen was wir eigentlich wirklich wollen. Und dabei könnte es so einfach sein, für sich selbst Prioritäten zu setzen. Wenn du weißt, was dich am glücklichsten und erfülltesten zurück lässt, kannst du all deine Zeit genau dafür einsetzen.

Weniger ist mehr

Stell dir vor, wie es wäre, all die Zeit die du mit und für relativ unwichtige Personen aufwendest, in eine einzige wichtige Person zu investieren. Spare dir alle Zeiten, die du damit verbringst auf Facebook die Neuigkeiten irgendwelcher alten Bekannten zu lesen die du ewig nicht persönlich getroffen hast. Die Zeiten, in denen du mit einer ganzen Gruppe locker befreundeter Leute in einer viel zu lauten Kneipe rumhängst, in der man kein Wort wechseln kann. Die Zeiten in denen du mit Leuten telefonierst oder mailst, die eigentlich nicht zu dir passen, zu denen du aber meinst Kontakt halten zu müssen (und selbst nicht genau weißt warum eigentlich).
Verbring statt dessen mal wieder einen ganzen Nachmittag mit einem dir wichtigen Verwandten, den du normalerweise viel zu selten persönlich triffst. Schaut euch alte Bilder an und schwelgt in positiven Erinnerungen. Lass dir ausführlich erzählen wie er/sie lebt und sich wirklich fühlt. Schütte auch du ihm/ihr dein Herz aus und sei völlig offen und ehrlich. Geh erst nach Hause, wenn du das Gefühl hast, an diesem Nachmittag eine echte, herzliche, zwischenmenschliche Beziehung gepflegt zu haben.

Und das geht für jeden Bereich deines Lebens! Du kannst dich bei jedem Ding, jeder Angewohnheit, jedem Termin, jedem Menschen in deinem Leben fragen: „Liegt mir das am Herzen? Fühle ich mich richtig wohl damit? Bringt es mir wirklich was? Oder kann das weg?“ Und alles, was weg ist, macht dich etwas leichter, gibt dir mehr Luft zum atmen und mehr Raum für die guten Sachen. Noch besser: Du bemerkst das Gute dann noch viel eher, weil es nicht eingezwängt ist zwischen all dem Unwichtigen.

Wie nutze ich meine Lebenszeit?

Ich bin in den letzten Jahren oft mit der Endlichkeit des Lebens konfrontiert worden und habe begonnen mich zu fragen, ob ich meine Lebenszeit eigentlich wirklich gut genug nutze. Habe ich genug Zeit für alles, was mir wichtig ist? Wie viel dieser Zeit opfere ich für Dinge, die gemacht werden müssen und was muss dabei herausspringen, damit ich überhaupt leben kann? Wie bewerte ich, wie priorisiere ich, wie geht die Rechnung auf?

  • Was ich liebe: Das ist der einfache Teil. Schreib alles auf, das dir wichtig ist und du gern tust. Alles, was sich nicht nach Verpflichtung anfühlt und wofür du gern noch viel mehr Zeit hättest. Dabei erstellst du auch eine Rangordnung, in der du bewertest wie wichtig dir der jeweilige Punkt ist (z.B. nach Schulnoten)
  • Was ich nicht liebe: Jetzt das Gegenteil. Es wird alles aufgeschrieben, das regelmäßig gemacht werden muss, du aber am liebsten lassen würdest. Alles, was du meistens nach hinten schiebst. Auch hier ist eine Rangordnung wichtig, die dir zeigt wie ungern du den jeweiligen Punkt erledigst.
  • Was andere brauchen: Wenn es Menschen in deinem Leben gibt, mit denen du viel Zeit teilst, wird es Dinge geben, die du nicht gern tust, dem anderen aber sehr wichtig sind. Schreib jetzt alles auf, das du anderen zuliebe tust. Damit du aber wirklich ein realistisches Gesamtbild erhältst, solltest du hier ebenfalls andersherum arbeiten und alles aufschreiben, das andere für dich tun.

Die Summe des Ganzen

Wenn du deine Listen nebeneinander legst, lässt sich jetzt schon allein am optischen Eindruck sagen, ob dein Leben im Gleichgewicht ist. Ist etwa deine Liste der ungeliebten Verpflichtungen viel länger als die der geliebten? Oder wird ersichtlich, dass du viel mehr für andere tust, als sie für dich? Vielleicht siehst du jetzt, dass auf der Liste der ungeliebten Dinge fast nur die Note 6 zur Bewertung benutzt hast, oder auf der Liste deiner geliebten Dinge keine einzige 1 auftaucht? Dann ist es sehr deutlich, wo in deinem Leben Handlungsbedarf besteht. Du solltest dir jetzt Gedanken darüber machen, was du verändern musst, damit du bald neue Listen schreiben kannst!

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